Warum ist Pünktlichkeit im ÖPNV für Fahrgäste wichtig?

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Wie wichtig ist Pünktlichkeit für Fahrgäste im ÖPNV? Und wie kann Big Data öffentlichen Verkehrsmitteln dabei helfen, Zeiten genau einzuhalten?

Was Pünktlichkeit für Fahrgäste bedeutet

Unser letzter Artikel über Belegungsdaten im ÖPNV setzte sich mit dem Dilemma auseinander, wie Menschen auf den ÖPNV angewiesen sind, aber letzterer auch die Gesundheit der Fahrgäste gefährden kann. Allerdings gibt es ein weiteres Problem, mit dem sich die Fahrgäste herumschlagen müssen: Sie müssen auf Züge und Busse, die Verspätungen haben, warten. Das kann zu einem sehr frustrierenden Reiseerlebnis führen.

Mehrere Studien wurden durchgeführt, die die Frage behandelten, wie Pünktlichkeit im ÖPNV aussieht und wie wertvoll sie für die Fahrgäste ist. Unter ihnen war eine Studie aus dem Jahr 2014 von Passenger Focus, die Fahrgäste, die Busse nutzten, zu Fahrplänen und zur Pünktlichkeit im Vereinigten Königreich befragte.

Abhängig von der Anzahl an Linienbussen, die gleichzeitig im Dienst sind, erklärten die Fahrgäste, dass sie Flexibilität bis zu einem gewissen Grad tolerieren. Auch sehen sie sich in der Verantwortung etwas früher an der Haltestelle zu erscheinen, aber diese Pflicht müsse man nur bis zu einem bestimmten Maße nachkommen. Wenn das Aufgebot an Bussen groß ist (Bus verkehrt ca. alle 10 Min.), dann sind die Fahrgäste toleranter, falls ein Bus frühzeitig die Haltestelle verlässt, weil sie nur ein bisschen warten müssen, bis der nächste kommt.

Wenn aber ein Busdienst weniger Busse im Einsatz hat und diese mit mehr als 20 Min. Abstand verkehren lässt, dann fühlen die Gäste eine höhere Frustration, wenn ein Bus zu früh weiterfährt, weil sie dann länger auf den nächsten warten müssen. Am Ende warten sie so lange, bis sie das Gefühl haben etwas kurz und klein schlagen zu müssen ein Taxi rufen.

Bei Befragungen von Fahrgästen wird erklärt, dass die Busdienstleister und Fahrer einen bewussten Entschluss fassen sollten, pünktlich zu sein. Mögliche Probleme, die zu Verspätungen führen könnten, sollten gelöst werden. Des Weiteren wünschen sich die Menschen, dass mit den Passagieren ordentlich kommuniziert wird, indem ein funktionierender Fahrplan aufgestellt wird. Fahrpläne, die genaue Abfahrts-und Ankunftszeiten angeben, die während wenig Verkehr aber auch im Feierabendchaos greifen, geben den Fahrgästen mehr Sicherheit. Die Menschen können, hinsichtlich ihrer Ankunft an der Haltestelle, optimale Entscheidungen treffen. Schließlich wollen sie den zu frühen Bus nicht verpassen, aber auch nicht zu lange auf einen verspäteten warten.

Des Weiteren untersuchte ein Forschungsbericht von Transport Focus und dem Office of Rail and Road aus dem Jahr 2015, die Wichtigkeit von pünktlichen Zügen für Fahrgäste im Vereinigten Königreich. Unter den verschiedenen Meinungen kristallisierte sich auch die Annahme der Fahrgäste heraus, dass Pünktlichkeit im ÖPNV ein wichtiger Schlüssel für Erfolg darstellt.

Die meisten Fahrgäste waren der Meinung, dass ein Zug der mit einer Minute Verspätung eintrifft, noch pünktlich ist. Währenddessen waren andere Personen der Ansicht, dass ein Nahverkehrszug, der 10 Min. und ein Fernverkehrszug, der 20 Min. Verspätung hat, wesentlich zu spät sind.

So hohe Ansprüche hinsichtlich der Pünktlichkeit im ÖPNV könnten die Gründe für die vielen Studien der letzten Jahre sein.

Mit Big Data Pünktlichkeit im ÖPNV verbessern

Um Pünktlichkeit im ÖPNV zu verbessern, kann Big-Data-Technologie angewendet werden, damit Wege gefunden werden, Verspätungen zu reduzieren.

Eine im Jahr 2020 geschriebene Masterarbeit an der Vrije Universiteit Amsterdam schlug eine Möglichkeit vor, wie die Pünktlichkeit mittels Smartcards und Ortungsdaten von Fahrzeugen in einem multimodalen Netzwerk berechnet werden kann. Die Smartcard- und Ortungsdaten der Fahrzeuge stammen aus Amsterdams ÖPNV-Betreiber, GVB.

Der Datensatz der Smartcards entstammt aus GVBs automatischen Sammlungssystem von Fahrkarten, der nationalen ÖPNV-Smartcard: OV-Chipkaart. Die Karte wird auf ein Kartenlesegerät im Bus oder an den Drehkreuzen im Bahnhof gelegt. Die Smartcard-Daten können als Personenzählungsdaten betrachtet werden.

Andererseits bestand der Datensatz zum Thema Fahrzeugortung aus den geplanten und den tatsächlichen Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Fahrzeuge an verschiedenen Haltestellen. Die Datensätze von den Smartcards und den Ortungen wurden im nächsten Schritt mit der richtigen Methode kombiniert, um den Prozentsatz der Fahrgäste zu ermitteln, die gerade pünktlich genug ankamen und den Zug/Bus zu erreichen.

Vielleicht entstammte die Idee für das Anwenden von Big Data aus einer Masterarbeit des Jahres 2016. Sie untersuchte die Verlässlichkeit der Buslinie 550 in Helsinki. Dazu wurden automatische Fahrzeuglokalisierungs- und Personenzählungsdaten genutzt, die aus Helsinkis Verkehrsverbund HSL gewonnen wurden. Die Masterarbeit stellte folgende Gründe für eine Unzuverlässigkeit auf:

  • länge der Bus-/ Zuglinie
  • Verhalten des Fahrers
  • nicht genügend Ampeln zur Priorisierung von öffentlichen Verkehrsmitteln an Kreuzungen
  • zu viele Fahrgäste, die in den mittleren Abteil einsteigen
  • Bauweise des Busses
  • Verkehr, der die freie Fahrt einschränkt

Im Jahr 2013 untersuchten malaysische Forscher die Pünktlichkeit der größten Bahngesellschaft Malaysias, der KTMB. Im Vergleich zu KTMBs Konkurrenz, fühlte sich die Untersuchung von KTMBs Zügen wie ein Rückschritt an. Die Betriebssysteme der Züge waren nicht auf dem neuesten Stand, ein einspuriges Schienennetz wurde genutzt und Problemen in der Infrastruktur waren vorhanden. All dies führte letzten Endes zu Verspätungen.

Zwei Jahre zuvor, arbeiteten UTP Malaysia und die Gadjah-Mada-Universität in Indonesien zusammen an einer Studie über die Pünktlichkeit von Linienbussen in einem gemischten Verkehr sowie die Wartezeit der Fahrgäste, die mittels GPS-Daten analysiert wurden. Konkret wurde die Fahrtstrecke zwischen Ipoh und Lumut, im Bundesstaat Perak, Malaysia, beobachtet. Die Studie führte die Verspätungen der Busse auf ein Fehlen einer Fahrbahn nur für Busse zurück. Das heißt, dass die Fahrzeuge die Straße mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen mussten und zu Spitzenverkehrszeiten im Stau feststeckten.

Was wird von Betreibern öffentlicher Verkehrsmittel erwartet?

Indem Betreiber Daten aus Fahrzeugortungen und Personenzählungen nutzen, können sie die Pünktlichkeit ihrer Fahrzeuge untersuchen. Im nächsten Schritt können sie bestimmen, welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um Verspätungen zu vermeiden und Wartezeiten zu minimieren. Die genannten Studien empfehlen folgende Maßnahmen:

  • aktuelle Betriebssysteme in den Fahrzeugen nutzen
  • ein automatisches Datenerhebungssystem einsetzen, um die Leistung kontinuierlich zu verbessern
  • Ankunfts- und Abfahrtszeiten anpassen
  • Fahrzeugflotten mit Niederflurtechnik erwerben
  • Fahrer schulen und inspizieren
  • mehr Ampeln zur Priorisierung von öffentlichen Verkehrsmitteln an Kreuzungen platzieren
  • Fahrbahnen für Busse ausbauen
  • das Konzept des Öffnens der mittleren Türen überdenken

Selbstverständlich hätte man ohne den Einsatz von Datenanalysen diese Maßnahmen nicht erkannt. Aus diesem Grund ist die Wertschätzung der Meinungen der Fahrgäste das höchste Gut. Im ÖPNV muss ihren Bedürfnissen Beachtung geschenkt werden, schließlich nutzen genau diese Menschen tagtäglich die Verkehrsmittel.

“Entscheidend ist die Aufnahme der Fahrgastmeinung in den Optimierungsprozess. Die Fahrgäste decken durch den Ticketerwerb mehr als 60% der Bahnkosten. Allein aus diesem Grund müssen die Meinungen dieser Menschen in die Entscheidungen einfließen, wie Gesellschaften ihre Dienstleistung verbessern und in sie investieren wollen.”

Aus einer Studie aus dem Jahr 2015, die von Transport Focus und der Office of Rail And Road (UK) mitfinanziert wurde.

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