6 Wege wie Big Data das Gesundheitswesen verbessern kann

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Wenn man an die Verwendung von Big Data denkt, kommt einem zuerst Netflix in den Sinn und wie der Anbieter Ihnen Empfehlungen gibt, basierend auf Ihren Gewohnheiten. Niemand denkt aber dabei an das Gesundheitswesen.

Globale Pandemien und ein teures Gesundheitssystem stellen eine große Herausforderung für uns dar. Aber wir bemerken nicht, wie Big Data einen Unterschied in der Gesundheitsfürsorge machen kann (außer Sie arbeiten in der Gesundheitsbranche). Es gibt unzählige Möglichkeiten, wie Big Data angewendet werden kann. Im Folgenden werden wir einige Punkte genauer betrachten, in denen das Gesundheitssystem von Big Data profitieren kann.

Die Biologie hinter Krankheiten

Die Genomforschung versucht die Vererbung von Krankheiten zu untersuchen, indem sie sich Genome anschauen. Dabei wird eine enorme Menge an Daten generiert.

Der Gesundheitsexperte Dr. Bonnie Feldman sagt, dass das menschliche Genom ca. 20.000 – 25.000 Gene besitzt, die 3 Millionen Basenpaare umfassen. Das kommt ca. 100 GB an Daten gleich, d. h. ca. 102.400 Bilder. Eine Menge Daten für ein einzelnes menschliches Genom.

Die Sequenzierung von weiteren Genomen würde hunderten von Petabyte an Daten gleichen. Die Daten, die durch die Analyse der Genwechselwirkungen entstehen, vervielfachen diese Datenmengen weiter. Das ist eine Explosion an Daten! Und genau hier kommt nun Big Data ins Spiel.

Das Münchener Leukämielabor (MLL) sequenzierte eine Reihe von Gefahrenherden in Proben von 80 Blutkrebsgenen. Die Gene stammen von Patienten mit Leukämie und Lymphknotenkrebs. Die Forscher wollten Mutationen identifizieren, um so die richtige Therapie anzuwenden. Dabei müssen sie vorsichtig vorgehen und nicht nur die Mutationen herausfinden, sondern auch die Veränderungen korrekt interpretieren.

Aus diesem Grund tat sich MLL mit den Technologiegiganten IBM und der Biotech-Firma Illumina zusammen. Ihr Ziel war es, Gensequenzen und die Anamnesen schnell zu analysieren, um Veränderungen in einer kleinen Anzahl an Zellen zu orten oder feine Mutationsvarianten zu erkennen. Daraufhin können sie die Genomdaten der Patienten nochmal analysieren, die die gleiche Krankheit aufweisen. So können mehr spezifischere Untergruppen einer Krankheit erkannt und neue Therapieziele gesteckt werden.


Krankenakten

Das Gute an Big-Data-Analysen ist, dass sie dem medizinischen Personal helfen, große Mengen an Krankendaten jedes einzelnen Patienten zu speichern. Die elektronische Gesundheitsakte ist beispielsweise eine digitale Version einer Krankenakte.

Verschiedene Einrichtungen wie Arztpraxen oder Krankenhäuser können die Gesundheitsakte eines Patienten miteinander teilen, die Pflege besser koordinieren und eine Wiederholung von Tests und Behandlungen vermeiden. Solche detaillierten Akteneinsichten, die auch über Genomdaten verfügen, können den Ärzten helfen, eine genauere und personalisierte Behandlung anzubieten. Ein netter Nebeneffekt ist natürlich der geringere Umfang an Papierkram.

Das US-amerikanische Cleveland County Health Department (CCHD) wusste ganz genau darüber Bescheid, dass die Rückverfolgung von Akten eine stressige Angelegenheit ist und nur unnötig Zeit und Energie frisst. Deshalb übernahm CCHD die elektronische Gesundheitsakte der Patagonia Health. Die Vorteile eines Systems, das auf elektronische Gesundheitsakten beruht, war weit mehr, als nur eine Digitalisierung des Papierkrams. Die elektronischen Akten verbesserte die Effizienz der Verwaltung, da alle patientenbezogenen Daten im selben System hinterlegt werden und ein Zugriff jederzeit von überall möglich ist.


Rückverfolgung in Echtzeit

Tragbare Tracker sind ein weiteres Werkzeug von Big Data in der Gesundheitspflege. Diese Tracker automatisieren die Überwachung und das Festhalten des gesundheitlichen Zustands eines Patienten. So können ca. 15 Arbeitsstunden pro Woche eingespart werden, denn die manuelle Eingabe der Daten fällt weg. Die tragbaren Tracker können aber auch das medizinische Personal in Echtzeit über Notfälle informieren.

Ein Beispiel ist die Herzstudie von Apple. Apple und Stanford Medicine taten sich zusammen und nutzten die Daten der Apple Watch, um zu prüfen, wie gut die Uhr arbeitet. Dazu wurde untersucht, wie genau die Apple Watch einen unregelmäßigen Herzschlag erkennt und Hinweise an das iPhone sendet, wenn eine unregelmäßige Herzfrequenz einem Vorhofflimmern ähnelt. Von den 420.000 Teilnehmern wurden 2.200 Person benachrichtigt, dass ein potentielles Vorhofflimmern vorliegt. So wurde bewiesen, dass die Erkennungs- und Benachrichtigungsmechanismen des Trackers funktionieren. Nur wurde nicht ersichtlich wie akkurat die Technologie dabei vorgeht.


Wartezeiten in Notfallaufnahmen reduzieren

Die Notfallaufnahme wurde über die letzten Jahre immer wichtiger, weswegen die Wartezeiten auch länger wurden. Das bedeutete, dass Patienten auf ihre Behandlungen warten mussten. Forscher an der Stanford Universität entwickelten glücklicherweise ein Modell mit dem sich berechnen lässt, wie viele Patienten in die Notaufnahme kommen werden. Somit konnten Wartezeiten reduziert werden.

Notaufnahmen in den USA verteilen normalerweise die Patienten auf verschiedene Krankenhäuser. Zudem melden sie den Krankenwagen, dass die restlichen Patienten zu anderen Einrichtungen gefahren werden sollen, sobald die Notaufnahme überfüllt ist. Dieses Verteilungsmodell beruht ausschließlich auf Belegungsdaten.

Das neue Standford-Modell beruht jedoch auf Prognosedaten und Belegungsdaten. Aus der Kombination dieser Daten bestimmen sie, wann die Warteräume in Zukunft überfüllt sein werden. So kann eine Verteilung der Patienten stattfinden, bevor es zu einer Überfüllung der Räumlichkeiten kommt und Verspätungen ausgelöst werden. Des Weiteren können die Notaufnahmen Prognosedaten verwenden, um die verschiedenen Einrichtungen mit einer angemessenen Anzahl an medizinischem Personal auszustatten.


Analyse von Pandemiestrategien

Um eine Pandemie einzudämmen, können Regierungen und Wissenschaftler Big-Data-Tools sowie Data Science nutzen und die Lage untersuchen. Der Vorgang ist notwendig, damit das Gesundheitswesen nicht zusammenbricht.

Zum einen können Techniken aus dem Bereich der Data Science genutzt werden, um Einblicke in die Verbreitung der Pandemie und die Erholungsrate vom Infektionsgeschehen zu gewinnen und die Erkenntnisse zu visualisieren. Zum anderen können Länder und Regionen Lockdown-Verordnungen durchsetzen, damit die Ausbreitung der Viren eingekreist werden kann.

Analyse-Tools des Big Data können Regierungen dazu befähigen, Kontrolle über die Effizienz der Maßnahmen zu erlangen. Beispielsweise können die Daten eines Mobilfunkmasts verwendet werden, um festzustellen, wer sich an die Verordnungen hält und wie stark die Mobilität der Bürger ist.

Das Ergebnis einer solchen Big-Data-Analyse kann dann zu Erkenntnissen über Verschärfungen oder Lockerungen der Verordnungen führen, damit eine Pandemie wie die aktuelle COVID-19-Pandemie besser gehandhabt werden kann.


Rückverfolgung von Infektionsketten

In einer Pandemie müssen Politiker und Menschen im Gesundheitswesen zwischen Eindämmungen und sozio-ökonomischen Faktoren abwägen.

Ein technologischer Ansatz wäre die Nutzung von Smartphone-Daten, um zurückzuverfolgen, mit welchen Personen ein infizierter Mensch Kontakt hatte. Verschiedene Möglichkeiten würden zur Auswahl stehen. Standortdaten aller Einwohner könnten an einem zentralen Punkt ermittelt werden, indem eine App verwendet wird, die Standortdaten teilt. Aber auch anonyme und die Privatsphäre schützende Rückverfolgungen sind möglich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich immer um die selbe Idee handelt: Kontaktrückverfolgungsmethoden nutzen, um Infektionsketten schneller zu unterbrechen und den Bürgern während einer Pandemie eine höhere Lebensqualität zukommen zu lassen.


Was bedeutet das für Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten?

Big Data kann auf verschiedenste Weise nützlich sein für das Gesundheitswesen. Es änderte die Art, wie mit Genomen umgegangen wird. Wie der Gesundheitszustand von Patienten kontrolliert, festgehalten und geteilt wird. Auf welche Weise die Belegung von Notaufnahmen gehandhabt wird. Darüber hinaus tendieren Big-Data-Anwendungen dazu, eine höhere Lebensqualität während einer Pandemie zu versprechen.

Es verändert auch die Fähigkeiten, die sich das medizinische Personal ggf. aneignen muss, um den besten Nutzen aus Big Data für ihre Tätigkeiten herauszuholen. Medizinforschungseinrichtungen statten sich immer weiter mit Rechnern aus, damit die Forscher eine größere Menge an Daten verarbeiten können. Das Verarbeiten der Daten setzt Kenntnisse über Algorithmen voraus.

Ein paar Bachelorstudiengänge im Fachbereich Biologie haben die Notwendigkeit von Fähigkeiten im Data Science erkannt und sich angepasst. Die Universität Newcastle führte ein Modul zum wissenschaftlichen Rechnen für seine Bachelorstudenten in Biologie ein. Das Modul lehrt sie zu programmieren und Berechnungsmodelle zu entwickeln.

Die School of Medicine an der Universität in New York führte einen Kurs namens Health Care by the Numbers ein. Ein dreijähriger gemischter Lehrplan, der Medizinstudenten im Umgang mit Big Data befähigt.

Letzten Endes sind datenbasierte Verfahren die Zukunft des Gesundheitssystems. Das medizinische Personal mit den notwendigen Fähigkeiten und Tools auszustatten, ist der erste Schritt, um Big Data in das Gesundheitswesen einzubinden.